Von meinen ersten Schritten am Johannesweg habe ich euch bereits erzählt. Nach 52 km bin ich in Kaltenberg angelangt und aufgrund starker Knieschmerzen schwanke ich zwischen Aufgeben und Weitergehen. Wer ist stärker – der Körper oder der Geist?

TAG 3: KALTENBERG – MÖTLAS

Ich habe geschlafen wie ein Murmeltier. Gestern ist das Abendessen ausgefallen und so habe ich heute wirklich einen Bärenhunger. Deshalb schlage ich mir den Bauch voll mit frischen Brombeeren, selbstgebackenem Kuchen und leckerem Aufstrich *mmmh*. Nach einem kurzen Besuch der Pfarrkirche von Kaltenberg und einem netten Schwätzchen mit einem Einheimischen steige ich den 200 Höhenmeter umfassenden Kreuzweg mit seinen 14 Kapellen hinab. Unterwegs treffe ich ein tschechisches Pilgertrio wieder, welches bereits zum 4. Mal den Johannesweg erwandert. Einer der drei erzählt mir, dass er vor einigen Jahren auch den französischen Teil des Jakobswegs gegangen ist und diese (angeblich) 1.200 km nicht so schlimm waren wie der „nur“ 84 km lange Johannesweg, der aufgrund seiner vielen Auf und Ab’s bei den meisten Wanderern körperliche Spuren hinterlässt. Na, ihr macht mir ja Mut.

Die Schlüsselkapelle mit ihrem eingemauerten Becken ist die 8. Station des Kreuzwegs und meine 9. Station des Johanneswegs.

„Egal wie alt du bist, jammere nicht und sei zufrieden mit deinem Los.“

In Unterweißenbach kaufe ich bei der Caritas einen Johannesweg-Schlüsselanhänger. Und mein Ehrgeiz ist stärker – Aufgeben kommt gerade nicht in Frage. Außerdem geht es jetzt wieder bergauf und das ist zwar schweißtreibend aber nicht schmerzhaft. Also stapfe ich wieder einige Höhenmeter hoch zum Wegererstein (Station 10) und werde erneut mit einem schönen Ausblick belohnt.

„Pflege deinen Körper, aber identifiziere dich nicht mit ihm, sondern halte ihn in Balance mit deinem Inneren.“

Danach mache ich einen kleinen Umweg zur Einsiedlerklause (Station 11). Dort lebte in den 1990-iger Jahren Schwester Leonilla Wahlmüller als Eremitin, welche zahlreichen Pilgern Rat und Trost spendete. Leider lese ich erst später, dass sich dort in der Nähe auch die sogenannte Himmelsleiter befindet, die Himmel und Erde verbindet. Aber ich brauche ja sowieso einen Grund, wieder einmal in diese schöne Gegend zu fahren ;-)

„Der Ernst des Lebens braucht Freude als Treibstoff der Lebendigkeit.“

Der weitere Weg führt durch den Wald hinauf zum Harlingsedter Gipfelkreuz (Station 12). Bei einem traumhaften Sommerwetter genieße ich bei einer kleinen Jause den herrlichen Ausblick (Titelbild) und fühle mich gut. Ich habe alle 12 Stationen erreicht – aber der Johannesweg ist noch lange nicht aus …

„Der Schlüssel zum gesunden Altern liegt in deinem Alltag.“

Auf meinem weiteren Johannesweg komme ich bei der bekannten Hirschalm sowie an der Johannesweghütte vorbei und erreiche Königswiesen. Dort besuche ich die Kirche und staune über das einzigartige Schlingrippengewölbe. Neben dem Besuch der 12. Pilgerstationen habe ich mittlerweile genügend Stempeln von diversen Standorten gesammelt. Im Gasthaus Aglas hole ich mir deshalb die Johannesweg-Nadel ab. Irgendwann nach Königswiesen treffe ich erstmals seit Unterweißenbach wieder auf andere Pilger.

In Mötlas plane ich meine weitere Tour. Mit meiner Kondition und den trotz Doping vorhandenen Knieproblemen ist klar, dass ich nicht wie ursprünglich geplant in drei Tagen wieder in Pierbach sein werde. In der Schutzhütte Ruttenstein ist leider kein Platz mehr für mich, deshalb schließe ich mich zwei anderen Pilgerinnen an und verbringe dank Taxi-Dienst eine weitere Nacht in Kaltenberg. Dieses Mal allerdings im Gästehaus Neubauer, welches zwar ein gutes Abendessen bietet, aber aufgrund seiner Größe nicht diese Gemütlichkeit ausstrahlt wie meine ersten beiden Unterkünfte. Aber der Haselnuss-Schnaps zur Begrüßung ist wirklich gut ;-) Immerhin kann ich weitere 21 km auf mein Flugenten-Johannesweg-Konto buchen.

TAG 4: MÖTLAS – PIERBACH

Ich stehe zeitig auf und lasse mich um 7 Uhr zurück nach Mötlas bringen. 11 km sind noch zu bewältigen – das schaffe ich! Auch heute werde ich von einem strahlenden Sommerwetter begleitet. Ich schone etwas meine Knie und verzichte schweren Herzens auf einen Besuch der Ruine Ruttenstein, nehme mir aber fest vor, einen solchen möglichst bald nachzuholen.

Es geht noch einmal einige Höhenmeter hinunter und ich genieße die letzten Minuten der Ruhe sowie die landschaftliche Idylle. Bald ist es geschafft …

Hier! Das Ortsschild von Pierbach! Ein Selfie darf nicht fehlen.

Bei der Kirche von Pierbach komme ich wieder dort an, von wo aus ich mich auf den (Johannes-)Weg gemacht hatte. Ich habe es geschafft. Jabadabaduuuuuu :-)

FlugentenInfos und Tipps für den Johannesweg:

Der offizielle Startpunkt liegt in Pierbach. Man kann aber auch überall sonst entlang des Weges einsteigen oder auch nur einzelne Stationen besuchen bzw. Wegabschnitte absolvieren. In kurzer Gehdistanz zur Ortsmitte von Pierbach befindet sich nicht nur die Bushaltestelle sondern auch ein gebührenfreier Parkplatz mit einem sauberen, sehr modernen (kostenpflichtigen) WC. Wer mal für kleine Jungs/kleine Mädchen muss, der findet auf der gesamten Strecke immer wieder mal öffentliche Toiletten (zB bei Friedhöfen, Touristeninformation, Johannesweghütte).

Der Weg sollte nicht unterschätzt werden. Die Mühlviertler Hügellandschaft verlangt einiges ab und für wenig Trainierte wie mich geht das an die Substanz. Ich habe zwar extrem durchtrainierte Wanderer getroffen, die den Weg in zwei Tagen gegangen sind, aber das sind wohl Ausnahmen. Außerdem: hier ist der Weg das Ziel. Vor allem bei Schönwetter bietet der Johannesweg ein Landschaftskino par excellance.

In jedem Fall nur eingetragene Schuhe mit gutem Profil verwenden, Wanderstöcke mitnehmen und ansonsten mit leichtem Gepäck losstarten. Gerade wenn man alleine unterwegs ist, sollte auf jeden Fall ein Erste-Hilfe-Packerl im Gepäck sein. Die Beschaffenheit der Wege ist sehr gut; Waldwege mit Wurzeln, Forstwege, Wiesen und Straßen wechseln einander ab.

Was – du gehst alleine? Ich erntete so manche erstaunte und besorgte Blicke, als ich von meinem Vorhaben erzählte. Ich war zwar lange Strecken alleine unterwegs, aber unsicher oder gar einsam habe ich mich nie gefühlt. Unterwegs trifft man selbst während der Woche insbesondere auf der Etappe von Pierbach bis St. Leonhard immer wieder auf andere nette Wanderer. Vielen Dank an dieser Stelle an alle für die tollen Gespräche, die moralische Unterstützung sowie die Hilfsbereitschaft! Auch die Einheimischen begegnen den Pilgern mit offenen Armen. Der Johannesweg wurde 2012 öffnet und hat den Tourismus in der Region enorm aufgewertet, weshalb die Anrainer und Wirtsleute dem Johannesweg sehr positiv gegenüberstehen. Immer wieder wurde ich angesprochen und auf ein Schwätzchen eingeladen. Manchmal wurde mir zugewinkt, gegrüßt wurde immer. Und auch sonst tut sich immer was … so wurde ich mal von einer Katze begleitet, von einem Hund begrüßt, von einer Kuhherde misstrauisch begutachtet oder von Gänsen angeschnattert. Und es tat auch gut, einfach mal nur zu gehen und den Blättern im Wald zu lauschen oder einfach nur die Stille zu genießen.

Der Johannesweg ist gut ausgeschildert. Zudem gibt es eine kostenlose App zum Downloaden, welche bei entsprechendem Empfang einen auch orten kann und so anzeigt, ob man sich eh in die richtige Richtung bewegt. Zusätzlich kann man sich die Wanderkarte ausdrucken oder im Großformat kaufen. Verlaufen ist eigentlich unmöglich. Einfach immer der weißen Lilie nach ;-) Das Symbol des Lichts ist auch das Zeichen des Johanneswegs.

Unterkünfte auf jeden Fall im Vorfeld reservieren oder zumindest am Morgen bei der gewünschten Unterkunft anrufen. Die Auswahl der Unterkünfte entlang der Strecke ist begrenzt und so kann es schon mal passieren, dass man umdisponieren muss. Ob man jede Nacht woanders schläft oder in einer Unterkunft bleibt und sich hin- und herfahren lässt ist Geschmackssache. Der große Vorteil an einer einzigen Unterkunft ist sicher, dass man kein Gepäck mitschleppen muss, dafür muss man Extrakosten für die Taxifahrten einkalkulieren. Private Unterkünfte sind naturgemäß günstiger als Pensionen und Hotels. Eine besonders kostensparende Variante ist die schöne Johannesweghütte in der Nähe der Hirschalm. Hier hinterlässt man eine freiwillige Spende. Mir war jedoch der an und für sich wohlriechende Holzduft zu intensiv, weshalb ich mich dann für meine letzte Nacht für ein anderes Domizil entschieden habe. Die Hütte verfügt übrigens auch über eine frei zugängliche Toilette und einen Kühlschrank mit Getränken, an welchem man sich ebenfalls gegen eine kleine Spende bedienen kann. Die Vorreservierung hat zumindest bei mir auch den inneren Schweinehund besiegt. Zum einen, dass ich überhaupt losmarschierte, zum anderen, dass ich auch jeden Tag ein gesetztes Ziel hatte.

FlugentenFazit:

Ein abwechslungsreicher, gut ausgeschilderter Wanderweg, der neben einer wunderbaren Landschaft auch zahlreiche schöne Rastpunkte bietet. Nicht zu unterschätzen ist das hügelige Auf und Ab. Aber es lohnt sich, sich aufzumachen und dem Johannesweg zu folgen!

„Lass nichts zurück außer deine Fußspuren, nimm nichts mit außer deine Eindrücke.“

Mehr Informationen zum Johannesweg gibt es auf www.johannesweg.at.